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Die geplante Verschärfung der Migrationspolitik in Baden-Württemberg sorgt für hitzige Debatten: Während die Bundesregierung auf schnellere Asylverfahren und leichtere Abschiebungen setzt, warnen Menschenrechtsorganisationen vor wachsender Ausgrenzung und Symbolpolitik. Die Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten und die Aussetzung der Familienzusammenführung stoßen auf scharfe Kritik – und werfen Fragen nach Rechtsstaatlichkeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt auf.
Verschärfte Migrationspolitik in Baden-Württemberg: Reaktionen und Kritik
Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der schnellere Asylverfahren und leichtere Abschiebungen vorsieht. Künftig sollen "sichere Herkunftsstaaten" ohne Zustimmung der Länder bestimmt werden. Der Entwurf muss noch durch Bundestag und Bundesrat. Menschenrechtsorganisationen in Baden-Württemberg, wie der Flüchtlingsrat, äußern große Sorge. Meike Olszak, Geschäftsleiterin des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg, berichtet von zunehmender Angst, Ausgrenzung und Rassismus unter Geflüchteten. Die Aussetzung der Familienzusammenführung für subsidiär Schutzberechtigte betrifft laut Olszak ohnehin nur maximal 1.000 Menschen im Monat und wird als Symbolpolitik kritisiert.
Staatssekretär Siegfried Lorek (CDU) sieht die Grenzkontrollen als Erfolg: Seit deren Einführung wurden 138 Schleuser festgenommen. Er fordert jedoch eine europäische Lösung, um die Zugangszahlen nach Europa zu kontrollieren. Amnesty International kritisiert die geplante Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten um Indien, Algerien, Marokko und Tunesien. Laut Amnesty werden in Tunesien verschiedene Gruppen, darunter Oppositionelle und queere Menschen, zunehmend Repressionen ausgesetzt. Im vergangenen Jahr gab es über 40 Prozesse gegen queere Menschen, bei denen Untersuchungen stattfanden, die als Folter klassifiziert werden können.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zählte bis Ende April 327 Asylerstanträge aus Tunesien. Auch aus Algerien, Indien und Marokko lagen die Zahlen nur im dreistelligen Bereich. Insgesamt wurden im Zeitraum Januar bis April 2025 45.681 Erstanträge gestellt, im Vorjahr waren es 84.984 – ein Rückgang um 46,2 Prozent. Trotz dieses Rückgangs hält die Bundesregierung an Zurückweisungen an den Grenzen fest, obwohl das Verwaltungsgericht Berlin diese Praxis als rechtswidrig eingestuft hat. Pro Asyl bezeichnet die Zurückweisung als "glatten Rechtsbruch".
"Wir haben in unserem Jahresbericht dokumentiert, wie zum Beispiel in Tunesien die Meinungsfreiheit unterdrückt wird. (…) Und es gab im letzten Jahr über 40 Prozesse, wo queere Menschen für gleichgeschlechtliche Handlungen verfolgt wurden. Und dabei werden dann auch Untersuchungen vorgenommen, (…) die man als Folter klassifizieren kann." (Sophie Scheytt, Amnesty International)
- Gesetzentwurf für schnellere Asylverfahren und leichtere Abschiebungen beschlossen
- 327 Asylerstanträge aus Tunesien bis April 2025
- Rückgang der Erstanträge um 46,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr
- 138 Schleuser seit Einführung der Grenzkontrollen festgenommen
Infobox: Die geplanten Maßnahmen stoßen auf breite Kritik von Menschenrechtsorganisationen. Die Zahl der Asylanträge ist deutlich gesunken, dennoch hält die Bundesregierung an einer Verschärfung der Migrationspolitik fest. (Quelle: tagesschau.de)
CO₂-Abgabe: Bürger weltweit befürworten, Politik zögert
Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), veröffentlicht in "Nature Human Behaviour", zeigt, dass eine internationale CO₂-Abgabe weltweit breite Unterstützung findet. 2021 wurden 41.000 Menschen in 20 Ländern befragt, die für fast drei Viertel der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich sind. 2023 wurde die Umfrage mit 8.000 Teilnehmern in den USA und der EU wiederholt. Die Mehrheit der Befragten befürwortet eine globale CO₂-Bepreisung, insbesondere wenn die Einnahmen pro Kopf an die Bevölkerung zurückverteilt werden.
In den USA unterstützten 70 Prozent, in Japan bis zu 94 Prozent und in der EU über 80 Prozent der Befragten die Idee einer globalen CO₂-Bepreisung. Ein konkretes Modell mit einer CO₂-Abgabe von 90 Dollar pro Tonne im Jahr 2030 und einer monatlichen Rückverteilung von 30 Dollar pro Kopf fand ebenfalls breite Zustimmung. Der aktuelle Preis liegt in Europa bei durchschnittlich 55 Euro pro Tonne, in den USA zwischen 20 und 40 US-Dollar. Die Politik zögert jedoch bei der Umsetzung, unter anderem wegen wirtschaftlicher und geopolitischer Spannungen sowie der Angst vor Widerständen aus Bevölkerung und Wirtschaft.
"Die Ergebnisse der Studie sollten den Regierungen zeigen, dass sie 'bei der Förderung globaler Klimaschutzmaßnahmen nicht zu viel Angst vor den Bürgern haben' müssen." (Linus Mattauch, PIK)
Land/Region | Zustimmung CO₂-Abgabe | Aktueller CO₂-Preis |
---|---|---|
USA | 70 % | 20–40 US-Dollar/Tonne |
Japan | 94 % | k.A. |
EU | über 80 % | 55 Euro/Tonne |
Infobox: Die Bevölkerung unterstützt eine internationale CO₂-Abgabe deutlich, doch politische und wirtschaftliche Hürden verzögern die Umsetzung. (Quelle: T-Online)
Nato beschließt größtes Aufrüstungsprogramm seit Jahrzehnten
Die Nato hat angesichts der Bedrohung durch Russland das größte Aufrüstungsprogramm seit dem Kalten Krieg beschlossen. Ziel ist es, die Fähigkeiten zur Abschreckung und Verteidigung in den kommenden Jahren massiv auszubauen. Schwerpunkte sind weitreichende Waffensysteme, Luftverteidigung und mobile Landstreitkräfte. Die neuen Zielvorgaben für militärische Fähigkeiten wurden auf Grundlage aktueller Verteidigungspläne und Geheimdiensteinschätzungen festgelegt. Es wird davon ausgegangen, dass Russland bereits in wenigen Jahren bereit für einen Krieg gegen einen Nato-Staat sein könnte.
Die neuen Planungsziele sind streng geheim, doch laut Diplomaten wurden die bisherigen Vorgaben um etwa 30 Prozent erhöht. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erklärte, dass die Bundeswehr bis zu 60.000 zusätzliche aktive Soldaten benötigen wird, um die neuen Vorgaben zu erfüllen. Die Nato-Mitglieder sollen sich beim nächsten Gipfeltreffen verpflichten, mindestens 3,5 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Verteidigung zu investieren. Hinzu könnten weitere 1,5 Prozent für verteidigungsrelevante Ausgaben kommen, sodass die von US-Präsident Donald Trump geforderte Quote von fünf Prozent erreicht wird. In Deutschland soll der Anteil der Verteidigungsausgaben von 2,1 Prozent im vergangenen Jahr bis 2032 auf 3,5 Prozent steigen. Jeder Prozentpunkt mehr entspricht etwa 45 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben.
Jahr | Verteidigungsausgaben (Anteil am BIP) | Geplante Steigerung |
---|---|---|
2024 | 2,1 % | +0,2 Prozentpunkte/Jahr |
2032 (Ziel) | 3,5 % | ca. 45 Mrd. Euro/Prozentpunkt |
Infobox: Die Nato erhöht ihre Verteidigungsziele um 30 Prozent. Deutschland soll bis 2032 3,5 Prozent des BIP für Verteidigung ausgeben, was pro Prozentpunkt etwa 45 Milliarden Euro bedeutet. (Quelle: Tagesspiegel)
Krieg in Gaza: Debatte um deutsche Unterstützung für Israels Politik
Im Artikel der ZEIT wird die Kritik von Friedrich Merz an der israelischen Regierung thematisiert. Merz wirft der Regierung vor, das Leiden der Zivilbevölkerung in Gaza lasse sich "nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus" begründen. Der israelische Historiker Tom Segev spricht von einer zweiten Nakba und sieht in der Vertreibung der Bewohner von Gaza eine Wiederholung der palästinensischen Tragödie von 1948. Volker Beck betont, dass die Hamas den Krieg beenden müsse. Es wird diskutiert, ob Israel Hunger als Waffe einsetzt und wie Deutschland sich in dem Konflikt positionieren sollte. Die Staatsräson in Bezug auf die Sicherheit Israels und mögliche Zukunftsszenarien für Israel und Palästina werden ebenfalls angesprochen. Die Stimmung bezüglich einer Friedensperspektive bleibt pessimistisch.
- Kritik an Israels Vorgehen in Gaza von deutschen Politikern und Historikern
- Diskussion über die Rolle Deutschlands und die Staatsräson
- Pessimistische Einschätzung der Friedenschancen
Infobox: Die Debatte um die deutsche Unterstützung für Israels Politik im Gaza-Krieg ist von Kritik und pessimistischen Zukunftsaussichten geprägt. (Quelle: Zeit Online)
Bezahlkarte für Geflüchtete in Hessen: Einführung und Umgehung
Sechs Monate nach dem Start der Bezahlkarte für Geflüchtete in Hessen sieht die Landesregierung die Einführung als abgeschlossen an – zumindest in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Dort wurden 4.000 Karten ausgegeben. Die Bezahlkarte ist eine Guthabenkarte, auf die Sozialleistungen aufgebucht werden. In Erstaufnahmeeinrichtungen erhalten Geflüchtete rund 150 Euro pro Monat, davon können sie nur 50 Euro in bar abheben. Überweisungen ins Ausland sind nicht möglich. Ziel ist es, Migration unattraktiver zu machen und Prozesse zu vereinfachen.
In der Praxis wird das System jedoch unterwandert: In Tauschbörsen, etwa in Darmstadt, werden Gutscheinkarten gegen Bargeld getauscht. Aktivisten sehen darin einen Akt des zivilen Ungehorsams. Die Landesregierung kritisiert diese Tauschorte, sieht aber rechtlich bislang keine Handhabe dagegen. Auf kommunaler Ebene ist die Einführung der Bezahlkarte noch nicht abgeschlossen. Von 27 zuständigen Stellen in Hessen haben weniger als die Hälfte die Karte eingeführt, 18 Kommunen mussten eine Fristverlängerung beantragen. In Fulda läuft die Einführung problemlos, während in anderen Kommunen technische Schnittstellen fehlen und der Verwaltungsaufwand hoch ist. Die flächendeckende Einführung dürfte noch Monate dauern.
Ort | Status Bezahlkarte | Besonderheiten |
---|---|---|
Erstaufnahmeeinrichtungen | Abgeschlossen (4.000 Karten) | 150 Euro/Monat, 50 Euro bar |
Kommunen | Weniger als die Hälfte eingeführt | 18 Fristverlängerungen |
Fulda | Problemlos eingeführt | Kein unverhältnismäßiger Aufwand |
- 4.000 Bezahlkarten in Erstaufnahmeeinrichtungen ausgegeben
- Nur 50 Euro pro Monat bar abhebbar
- Weniger als die Hälfte der Kommunen haben die Karte eingeführt
- 18 Kommunen beantragten Fristverlängerung
Infobox: Die Bezahlkarte für Geflüchtete ist in Hessen nur teilweise eingeführt. Tauschbörsen umgehen das System, und die flächendeckende Umsetzung verzögert sich wegen technischer und organisatorischer Probleme. (Quelle: hessenschau.de)
Einschätzung der Redaktion
Die geplante Verschärfung der Migrationspolitik in Baden-Württemberg steht exemplarisch für einen Trend, der auf Symbolpolitik und Abschreckung setzt, statt auf nachhaltige Lösungen. Die Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten trotz dokumentierter Menschenrechtsverletzungen birgt erhebliche Risiken für den Schutz vulnerabler Gruppen. Die anhaltende Praxis der Zurückweisung an den Grenzen trotz gerichtlicher Beanstandung untergräbt rechtsstaatliche Prinzipien und könnte das Vertrauen in die Integrität des Asylsystems weiter schwächen. Die deutliche Reduktion der Asylantragszahlen zeigt, dass restriktive Maßnahmen bereits Wirkung entfalten, doch die fortgesetzte Verschärfung droht, gesellschaftliche Spannungen und Ausgrenzung zu verstärken, ohne die Ursachen von Flucht und Migration zu adressieren.
- Symbolpolitik dominiert die Debatte, während rechtsstaatliche Standards und Menschenrechte unter Druck geraten.
- Die Maßnahmen könnten gesellschaftliche Spaltung und Unsicherheit unter Geflüchteten weiter verschärfen.
- Langfristige Lösungen bleiben aus, während kurzfristige Abschreckungseffekte im Vordergrund stehen.
Quellen:
- Baden-Württemberg: Verschärfte Migrationspolitik: So reagieren Politik und Organisationen aus BW
- Bürger befürworten CO₂-Abgabe, aber die Politik zögert weiter
- Reaktion auf Putins Politik: Nato beschließt größtes Aufrüstungsprogramm seit Jahrzehnten
- Krieg in Gaza: Sollen wir Israels Politik noch unterstützen?
- (S+) Geldpolitik: EZB und die Herausforderung durch Donald Trumps Politik
- Bezahlkarte für hessische Geflüchtete ist eingeführt - oder doch nicht?