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Gerichtsurteile zum Migrationsrecht, politische Kontroversen um Zurückweisungen an den Grenzen, neue Initiativen gegen Verfassungsfeinde im Landtag und ein Flaggen-Boom in Sachsen-Anhalt: Der aktuelle Pressespiegel beleuchtet die zentralen politischen Streitfragen und Entwicklungen, die derzeit die Debatte in Deutschland prägen.
Migrationsrecht: Offene Fragen nach Gerichtsentscheidung zu Zurückweisungen
Nach einer Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts zur Zurückweisung von Asylsuchenden sieht der Migrationsrechtsexperte Winfried Kluth weiterhin offene Fragen. Das Gericht hatte festgestellt, dass die Zurückweisung von Asylsuchenden bei Grenzkontrollen auf deutschem Gebiet rechtswidrig ist, sofern nicht zuvor geklärt wurde, welcher EU-Staat für den Asylantrag zuständig ist. Im konkreten Fall ging es um drei Somalier, die von Frankfurt (Oder) nach Polen zurückgeschickt wurden. Kluth betonte, dass diese Entscheidung „ganz auf der Linie der herrschenden Meinung im Migrationsrecht und der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs“ (EuGH) liege.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte am 7. Mai eine Intensivierung der Grenzkontrollen angeordnet und die Zurückweisung von Asylsuchenden verfügt, mit Ausnahmen für Kinder und Schwangere. Nach dem Urteil will Dobrindt die Praxis nicht ändern und strebt ein Hauptsache-Verfahren an, in dem er sich „deutlich Recht bekommen“ sieht. Kluth erklärte, die Bundesregierung wolle die Rechtsprechung dazu bringen, ihren Standpunkt zu ändern und strebe letztlich Entscheidungen des EuGH an, die mehr Spielräume böten. Zudem werde versucht, unter Verweis auf die Überlastung der Kommunen eine neue Argumentation für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit nach Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu etablieren. Kluth äußerte Zweifel, ob von der Lage in einzelnen Kommunen auf ganz Deutschland geschlossen werden könne. Er betonte, dass die Feststellung einer Ausnahmelage im Sinne von Artikel 72 eine Entscheidung von großer Tragweite sei, die aus seiner Sicht von der gesamten Bundesregierung oder sogar dem Bundestag getroffen werden müsste. Dies müsste auch förmlich den Nachbarstaaten und der EU-Kommission mitgeteilt werden (Quelle: SZ.de).
„Das ist eine Entscheidung von großer Tragweite, weil damit der Vorrang des Unionsrechts partiell durchbrochen wird“, sagte der Jurist Winfried Kluth.
- Das Berliner Verwaltungsgericht erklärte die Zurückweisung von Asylsuchenden ohne Klärung der Zuständigkeit für rechtswidrig.
- Bundesinnenminister Dobrindt will die Praxis beibehalten und ein Hauptsache-Verfahren anstreben.
- Die Bundesregierung sucht nach neuen rechtlichen Argumentationen, um die Praxis zu rechtfertigen.
Infobox: Die aktuelle Rechtslage zu Zurückweisungen an den Grenzen bleibt umstritten. Experten fordern eine Klärung auf höchster politischer Ebene und durch den Europäischen Gerichtshof. (Quelle: SZ.de)
Härtere Gangart gegen Verfassungsfeinde im Landtag Rheinland-Pfalz
Im rheinland-pfälzischen Landtag werden konkrete Pläne diskutiert, wie künftig Mitarbeiter von Abgeordneten oder Fraktionen, die als verfassungsfeindlich eingestuft werden, von staatlichen Geldern ausgeschlossen werden können. Landtagspräsident Hendrik Hering will dazu einen Gesetzentwurf und ein Gutachten vorstellen. Sollte ein solches Gesetz beschlossen werden, wäre es das erste eines Landesparlaments, das einen solchen Ausschluss unter bestimmten Umständen vorsieht.
Nach aktueller Gesetzeslage erhalten Fraktionen monatlich einen Grundbetrag von 70.025 Euro, einen Steigerungsbetrag von 2.191 Euro pro Fraktionsmitglied und einen zusätzlichen Steigerungsbetrag von 514 Euro je Mitglied für Oppositionsfraktionen. Für Mitarbeiter von Abgeordneten werden jährlich Aufwendungen bis zum Zwölffachen des Tabellenentgelts eines Vollzeitbeschäftigten in der Entgeltgruppe E 11, Stufe 3, des TV-L erstattet, was aktuell 4.619,10 Euro monatlich entspricht. Bereits im Juni des Vorjahres wurde die Hausordnung des Parlaments überarbeitet, sodass eine Zuverlässigkeitsüberprüfung für Mitarbeitende mit Zugang zu sensiblen Bereichen des Landtages eingeführt wurde. Diese Überprüfung erfolgt mit Unterstützung des Landeskriminalamts (Quelle: SZ.de).
Leistung | Betrag |
---|---|
Grundbetrag pro Fraktion (monatlich) | 70.025 Euro |
Steigerungsbetrag pro Fraktionsmitglied | 2.191 Euro |
Oppositionszuschlag pro Mitglied | 514 Euro |
Erstattung für Mitarbeiter von Abgeordneten (monatlich, E 11, Stufe 3) | 4.619,10 Euro |
- Gesetzentwurf zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Mitarbeiter von staatlicher Finanzierung in Vorbereitung.
- Zuverlässigkeitsüberprüfung für Mitarbeitende mit Zugang zu sensiblen Bereichen bereits eingeführt.
Infobox: Rheinland-Pfalz könnte das erste Bundesland werden, das gezielt verfassungsfeindliche Mitarbeiter von staatlicher Finanzierung ausschließt. Die finanziellen Regelungen für Fraktionen und Abgeordnete sind klar definiert. (Quelle: SZ.de)
Rheinland-pfälzisches Kabinett tagt in Brüssel
Das rheinland-pfälzische Kabinett hält eine auswärtige Sitzung in Brüssel ab. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen die EU-Handelspolitik, die Bekämpfung der irregulären Migration und der Grenzschutz. Auch der Handelskonflikt mit den USA soll thematisiert werden. Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) hatte nach einem Spitzentreffen mit der Wirtschaft angekündigt, sich in Berlin und Brüssel für die Interessen der rheinland-pfälzischen Wirtschaft einzusetzen (Quelle: SZ.de).
- Handelspolitik, Migration und Grenzschutz sind zentrale Themen der Kabinettssitzung.
- Ministerpräsident Schweitzer will die Interessen der Wirtschaft vertreten.
Infobox: Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz sucht in Brüssel den Austausch zu zentralen europäischen Themen und setzt sich für die regionale Wirtschaft ein. (Quelle: SZ.de)
Gericht erklärt Zurückweisung von Asylantragstellern für rechtswidrig
Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Zurückweisung dreier Asylantragsteller an der Grenze für rechtswidrig erklärt. Die Entscheidung fiel im Eilverfahren und betrifft drei Somalier, die nach Polen zurückgeschickt wurden. Die Bundesregierung hatte zuvor angekündigt, die Zurückweisungspraxis beizubehalten und ein Hauptsache-Verfahren anzustreben. Kanzleramtschef Thorsten Frei verteidigte die Zurückweisung an den Grenzen mit dem Hinweis, man habe versprochen, „dass wir ordnen, steuern und begrenzen möchten“ (Quelle: FAZ.NET).
Thorsten Frei: „Wir haben versprochen, dass wir ordnen, steuern und begrenzen möchten.“
- Das Gerichtsurteil stellt die aktuelle Praxis der Bundesregierung infrage.
- Die Bundesregierung hält an ihrer Linie fest und setzt auf eine Klärung im Hauptsache-Verfahren.
Infobox: Die rechtliche Auseinandersetzung um Zurückweisungen an den Grenzen bleibt bestehen. Die Bundesregierung sieht sich durch das Urteil herausgefordert, hält aber an ihrer Politik fest. (Quelle: FAZ.NET)
Stegner kritisiert Dobrindt nach Gerichtsentscheid zu Zurückweisungen
Nach dem Gerichtsentscheid zur Zurückweisung von Asylsuchenden hat der SPD-Politiker Ralf Stegner den CSU-Innenminister Alexander Dobrindt kritisiert. Stegner erklärte, das Urteil werde für Dobrindt „möglicherweise nicht ohne ein paar politische Schrammen abgehen“. Die Kritik bezieht sich auf die Haltung des Innenministers, die Praxis trotz des Urteils beibehalten zu wollen. Stegner betonte, dass solche politischen Konsequenzen zu erwarten seien (Quelle: SZ.de).
- SPD-Politiker Stegner sieht politische Folgen für Innenminister Dobrindt nach dem Urteil.
- Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Linie, trotz juristischer Bedenken.
Infobox: Die politische Debatte um die Zurückweisung von Asylsuchenden verschärft sich nach dem Gerichtsurteil. Kritiker erwarten Konsequenzen für die Verantwortlichen. (Quelle: SZ.de)
Deutschland-Flaggen-Boom vor Schulen in Sachsen-Anhalt
In Sachsen-Anhalt gibt es einen deutlichen Anstieg von Anträgen zur Dauerbeflaggung öffentlicher Gebäude mit der Deutschland-Flagge, insbesondere vor Schulen. Die AfD im Jerichower Land hatte mit Unterstützung der CDU im Kreistag durchgesetzt, dass an allen öffentlichen Gebäuden, darunter 23 Schulen, ganzjährig die schwarz-rot-goldene Flagge gehisst werden muss. Ähnliche Beschlüsse gelten inzwischen in 5 von 11 Landkreisen in Sachsen-Anhalt, darunter Mansfeld-Südharz (seit Ende April), Burgenlandkreis (seit 5. Mai), Harz (seit 14. Mai) und Wittenberg (seit 23. Mai). Auch das historische Rathaus in Sangerhausen wird seit Ende Mai beflaggt (Quelle: BILD).
- In 5 von 11 Landkreisen in Sachsen-Anhalt gilt die Dauerbeflaggung öffentlicher Gebäude mit der Deutschland-Flagge.
- Die Initiative wurde maßgeblich von AfD und CDU vorangetrieben.
Infobox: Die Debatte um die Beflaggung öffentlicher Gebäude mit der Deutschland-Flagge gewinnt in Sachsen-Anhalt an Dynamik. Immer mehr Landkreise setzen entsprechende Beschlüsse um. (Quelle: BILD)
Einschätzung der Redaktion
Die Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts und die Reaktionen darauf verdeutlichen, wie angespannt das Verhältnis zwischen nationaler Migrationspolitik und europäischem Recht ist. Die Bundesregierung riskiert mit ihrer Haltung, die bestehende Praxis trotz klarer gerichtlicher Hinweise fortzusetzen, eine weitere Zuspitzung des Konflikts zwischen Exekutive und Judikative. Die Suche nach neuen rechtlichen Argumentationslinien und die gezielte Anrufung des Europäischen Gerichtshofs zeigen, dass es nicht nur um Einzelfälle, sondern um Grundsatzfragen der europäischen Rechtsordnung und der Souveränität nationaler Politik geht. Die Debatte um die Auslegung von Artikel 72 AEUV und die Frage, wer eine Ausnahmelage feststellen darf, hat das Potenzial, die Kompetenzen zwischen Bundesregierung, Bundestag und europäischen Institutionen neu zu justieren. Die Tragweite der aktuellen Entwicklung liegt darin, dass sie Präzedenzwirkung für den Umgang mit unionsrechtlichen Vorgaben und nationalen Interessen entfalten kann. Die politische und juristische Klärung auf höchster Ebene ist daher unumgänglich, um Rechtssicherheit und Verlässlichkeit im Migrationsrecht zu gewährleisten.
- Die Auseinandersetzung um Zurückweisungen an den Grenzen ist ein Lackmustest für das Verhältnis von nationalem Handlungsspielraum und europäischer Rechtsbindung.
- Die aktuelle Entwicklung könnte zu einer grundlegenden Klärung der Zuständigkeiten und Kompetenzen im europäischen Migrationsrecht führen.
- Eine nachhaltige Lösung erfordert eine transparente und politisch legitimierte Entscheidung auf Bundes- und EU-Ebene.
Quellen:
- Nach Gerichtsentscheidung - Migrationsrechtler sieht bei Zurückweisungen offene Fragen - Politik
- Demokratie - Härtere Gangart gegen Verfassungsfeinde - Politik
- Rheinland-pfälzisches Kabinett tagt in Brüssel
- Liveticker zur Merz-Regierung: Gericht: Zurückweisung dreier Asylantragsteller rechtswidrig
- Bundesregierung: Nach Gerichtsentscheid - Stegner kritisiert Dobrindt wegen Zurückweisungen
- Immer mehr AfD- und CDU-Anträge: Deutschland-Flaggen-Boom vor Schulen