Politik aktuell: Neue Abschiebehaft, Bayern droht Ausstieg, Palantir für Polizei
Autor: Politik-Ratgeber Redaktion
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Kategorie: News
Zusammenfassung: Thüringen eröffnet im August eine umstrittene Abschiebehaftanstalt in Arnstadt, während Bayern wegen hoher Zahlungen mit dem Ausstieg aus dem Länderfinanzausgleich droht.
Thüringen eröffnet im August eine neue Abschiebehaftanstalt in Arnstadt – ein politisch umstrittenes Projekt, das die Debatte um Migration, Sicherheit und Menschenrechte im Freistaat neu entfacht. Wie die Landesregierung den Spagat zwischen Rechtsstaatlichkeit und gesellschaftlicher Verantwortung meistern will und welche politischen Konfliktlinien sich daran entzünden, beleuchtet dieser Pressespiegel.
Thüringen: Neue Abschiebehaftanstalt startet im August
In Thüringen wird im August eine neue Abschiebehaftanstalt in Arnstadt in Betrieb genommen. Zunächst ist ab Freitag ein Probebetrieb vorgesehen, wie Thüringens Migrationsministerin Beate Meißner (CDU) nach einer Kabinettssitzung in Erfurt mitteilte. Ab dem 11. August sollen die ersten Abschiebehaftplätze genutzt werden können. Geplant ist, mit zwei Plätzen zu beginnen und diese sukzessive, möglicherweise wöchentlich, aufzufüllen. Noch im August sollen bis zu zehn Plätze belegt werden können, perspektivisch ist die Unterbringung von bis zu 37 Menschen vorgesehen. Für den Betrieb werden 32 Bedienstete benötigt.
Die Ministerin betonte, dass es sich nicht um eine „Einrichtung der Grausamkeit“ handele, sondern um die Umsetzung von Recht und Gesetz. Abschiebehaft sei nur zulässig, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen und die Betroffenen vollziehbar ausreisepflichtig sind. Mit Stichtag Ende Juni gab es in Thüringen 4.462 Ausreisepflichtige, bei 4.009 von ihnen bestehen jedoch Vollstreckungshindernisse, sodass ihre Abschiebung ausgesetzt ist. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen werden nicht in der Einrichtung untergebracht. Voraussetzung für Abschiebehaft ist laut Meißner Fluchtgefahr oder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wobei ein richterlicher Beschluss notwendig ist. Zuständig sind die jeweiligen Amtsgerichte.
Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) bezeichnete die Maßnahme als Sicherheitsversprechen und betonte, dass Menschen, die sich an die Regeln halten und sich in die Gesellschaft einbringen, willkommen seien. Die Abschiebehaftanstalt ist ein zentrales Projekt der Landesregierung aus CDU, BSW und SPD. Die oppositionelle Linke lehnt die Einrichtung ab. Für die Einrichtung stehen im aktuellen Haushalt rund 2,4 Millionen Euro als „globale Mehrausgabe“ zur Verfügung. Die Linke ermöglichte die Verabschiedung des Haushalts, obwohl CDU, BSW und SPD keine eigene Mehrheit im Parlament haben.
| Kapazität | Bedienstete | Ausreisepflichtige (Ende Juni) | Vollstreckungshindernisse | Haushaltsmittel |
|---|---|---|---|---|
| bis zu 37 Plätze | 32 | 4.462 | 4.009 | 2,4 Mio. Euro |
Infobox: Die neue Abschiebehaftanstalt in Arnstadt startet im August mit zunächst zwei Plätzen, die schrittweise auf bis zu 37 erweitert werden. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen sind ausgeschlossen. Die Maßnahme ist Teil eines Sicherheitskonzepts der Landesregierung. (Quelle: SZ.de)
Bayern droht mit Ausstieg aus dem Länderfinanzausgleich
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat nach einer Kabinettssitzung in München den Ausstieg Bayerns aus dem Länderfinanzausgleich spätestens in fünf Jahren angedroht. Söder erklärte: „Wir bleiben dabei: Wir klagen weiter. Und wenn es keine Einigung mit Ländern gibt, wird dieser Finanzausgleich – leider erst zum Ende des Jahrzehnts – aber wird der definitiv gekündigt. Das machen wir nicht mehr mit.“ Hintergrund sind die Rekordzahlungen Bayerns in den Ländertopf, die im ersten Halbjahr 2025 bereits 6,672 Milliarden Euro betragen. Das ist ein Anstieg um zwei Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Nach offiziellen Zahlen folgen Baden-Württemberg mit 2,155 Milliarden Euro und Hessen mit 2,039 Milliarden Euro als weitere Geberländer. Hamburg steuert 312 Millionen Euro bei. Auf der Empfängerseite steht Berlin mit 2,028 Milliarden Euro an der Spitze, gefolgt von Sachsen mit 1,919 Milliarden Euro und Thüringen mit 1,161 Milliarden Euro. Insgesamt hat der Länderfinanzausgleich ein Volumen von mehr als elf Milliarden Euro. Vier Geberländern stehen derzeit zwölf Nehmerländer gegenüber.
| Geberland | Zahlung (1. Halbjahr 2025) |
|---|---|
| Bayern | 6,672 Mrd. Euro |
| Baden-Württemberg | 2,155 Mrd. Euro |
| Hessen | 2,039 Mrd. Euro |
| Hamburg | 312 Mio. Euro |
| Nehmerland | Empfangene Summe |
|---|---|
| Berlin | 2,028 Mrd. Euro |
| Sachsen | 1,919 Mrd. Euro |
| Thüringen | 1,161 Mrd. Euro |
Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) forderte grundlegende Änderungen am Verteilsystem und bezeichnete die aktuelle Entwicklung als „höchst besorgniserregend“. (Quelle: Tagesspiegel)
Infobox: Bayern hat im ersten Halbjahr 2025 mit 6,672 Milliarden Euro so viel wie nie zuvor in den Länderfinanzausgleich eingezahlt und droht mit dem Ausstieg, sollte es keine Reform geben. (Quelle: Tagesspiegel)
Baden-Württemberg: Polizei erhält Palantir-Software
Die Polizei in Baden-Württemberg wird künftig die Analyse-Software „Gotham“ des US-Unternehmens Palantir nutzen dürfen. Nach einem Koalitionsstreit zwischen Grünen und CDU wurde eine Einigung erzielt, die eine Änderung des Polizeigesetzes vorsieht. Die Software soll als kurzfristige Lösung eingesetzt und einer besonderen Kontrolle unterworfen werden, unter anderem durch das Parlamentarische Kontrollgremium.
Die Polizei in Baden-Württemberg hat einen Vertrag über fünf Jahre mit Palantir abgeschlossen. Die Software „Gotham“ ermöglicht die Auswertung und Verknüpfung von Millionen Daten aus verschiedenen Quellen und wird bereits von Sicherheitsbehörden, Geheimdiensten und Militär genutzt. Auch Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen setzen die Software ein und haben ihre Polizeigesetze entsprechend angepasst. Palantir wurde 2003 in den USA gegründet, unter anderem von Peter Thiel, der heute noch etwa sieben Prozent am Unternehmen hält.
- Der Chaos Computer Club warnte vor einer Abhängigkeit von Palantir und forderte eine eigene Software-Lösung von Bund und Ländern.
- Vereinssprecherin Constanze Kurz betonte, Palantir unterliege der US-Gesetzgebung und könne die Kooperation jederzeit einstellen.
„Ich denke, das ist der falsche Weg in der modernen digitalen Welt, zumal unter dieser US-Regierung.“ (Constanze Kurz, Chaos Computer Club)
Infobox: Die Polizei in Baden-Württemberg wird künftig die Palantir-Software „Gotham“ nutzen, die Anwendung steht jedoch unter besonderer parlamentarischer Kontrolle. Kritiker warnen vor Abhängigkeiten von US-Unternehmen. (Quelle: Ntv)
Grüne Jugend: Jette Nietzard tritt zurück und übt scharfe Kritik
Jette Nietzard, Co-Chefin der Grünen Jugend, hat ihren Rückzug angekündigt und erhebt dabei schwere Vorwürfe gegen Mitglieder ihrer eigenen Partei. Beim Bundeskongress der Grünen Jugend im Oktober in Leipzig wird sie nicht erneut kandidieren, bleibt aber Mitglied der Partei und der Jugendorganisation. In einer knapp dreiminütigen Video-Botschaft erklärte sie, sie habe neun Monate lang versucht, eine linke Stimme in den Grünen zu sein, sei jedoch auf Widerstand gestoßen. Sie berichtete von Ausbuhen in Fraktionssitzungen, Anschreien durch Spitzenpersonal und Rücktrittsforderungen von Ministerpräsidenten oder solchen, die es werden wollten.
Nietzard kritisierte die ständigen Anfeindungen und erklärte, dass unter solchen Bedingungen keine gute Politik entstehen könne. Sie forderte die Parteispitze auf, unsouveräne Reaktionen und toxische Empörung aufzuarbeiten. Ihr Co-Chef Jakob Blasel zollte ihr Respekt und forderte die Partei auf, ihre Haltung grundsätzlich zu überdenken. Nietzard hatte mit Äußerungen in sozialen Medien immer wieder für Kontroversen gesorgt, unter anderem mit einem Video zu Gaza und Israel sowie mit einem Pullover mit der Aufschrift „ACAB“ („All Cops Are Bastards“) und einer Kappe mit der Aufschrift „Eat the rich“.
„Man kann vieles über mich sagen, aber auf eins werde ich immer stolz sein, und zwar, dass ich immer nach oben getreten habe und nie nach unten.“ (Jette Nietzard)
Die Grüne Jugend gilt als Kaderschmiede für die Partei und vertritt traditionell sehr linke Positionen. Nietzard kündigte an, auch nach ihrem Rückzug eine linke Stimme zu bleiben. (Quelle: SZ.de)
Infobox: Jette Nietzard zieht sich als Sprecherin der Grünen Jugend zurück und kritisiert die Parteispitze scharf für mangelnde Unterstützung und ständige Anfeindungen. (Quelle: SZ.de)
Düsseldorf: Grünes Licht für Kita-Neubau an der Wimpfener Straße
Die Bezirksvertretung 9 in Düsseldorf hat dem Bauantrag für den Neubau einer Kindertagesstätte an der Wimpfener Straße zugestimmt. Die Kita, betrieben von Flingern mobil, war im März 2023 aufgrund des baulichen Zustands in einen Neubau an der Telleringstraße umgezogen, den sie sich mit einer Awo-Kita teilt. Der katholische Kindergartenträger Flingern mobil plant bereits seit 2014 in Abstimmung mit dem Jugendamt den Abriss und Neubau der Tageseinrichtung an der Wimpfener Straße. Wegen zu hoher Kosten musste das Projekt jedoch umgeplant werden.
Die neue Kita soll Platz für zwei T1-Gruppen und eine T3-Gruppe bieten, insgesamt für 68 Kinder und 15 Fachkräfte. Die geplanten zwei Vollgeschosse fügen sich laut Stadt in die Umgebung ein, da alle umliegenden Wohngebäude ebenfalls zweigeschossig sind. Die im Vorgartenbereich geplanten Stellplätze werden mit Rasengittersteinen hergestellt, um negative ökologische Effekte zu reduzieren. Mülltonnen und Außenlager werden in einem abgeschirmten Bereich nahe der Straße untergebracht. Ein Zeitrahmen für den Bau wurde nicht mitgeteilt. Flingern mobil betreibt in Düsseldorf insgesamt acht Kindertagesstätten und Familienzentren.
| Plätze für Kinder | Fachkräfte | Gruppen | Geschosse | Kitas von Flingern mobil in Düsseldorf |
|---|---|---|---|---|
| 68 | 15 | 2 T1, 1 T3 | 2 | 8 |
Infobox: Die Bezirksvertretung hat dem Neubau einer Kita an der Wimpfener Straße zugestimmt. Die neue Einrichtung bietet Platz für 68 Kinder und 15 Fachkräfte. (Quelle: RP Online)
Einschätzung der Redaktion
Die Inbetriebnahme einer neuen Abschiebehaftanstalt in Thüringen markiert einen deutlichen Schritt in der Migrations- und Sicherheitspolitik des Landes. Die gezielte Begrenzung der Kapazitäten und der Ausschluss von Minderjährigen sowie Familien mit Kindern zeigen, dass der Gesetzgeber auf rechtliche und humanitäre Standards achtet. Dennoch bleibt die Einrichtung ein politisch und gesellschaftlich sensibles Thema, das weiterhin kontrovers diskutiert werden dürfte. Die personelle Ausstattung und die vorgesehenen Haushaltsmittel deuten auf eine langfristige und strukturierte Umsetzung hin. Die Maßnahme könnte Signalwirkung für andere Bundesländer haben und die Debatte um Abschiebepraxis und Integration weiter anheizen.
- Neue Abschiebehaftanstalt als Teil einer sicherheitspolitischen Strategie
- Begrenzte Kapazität und klare rechtliche Vorgaben
- Politische und gesellschaftliche Kontroversen bleiben bestehen
Quellen:
- Migration - Erste Geflüchtete sollen im August in Abschiebehaftanstalt - Politik - SZ.de
- „Das machen wir nicht mehr mit“ Söder droht mit Ausstieg Bayerns aus Länderfinanzausgleich
- Einigung im Koalitionsstreit: Polizei im Südwesten soll Palantir-Software bekommen
- Parteinachwuchs - Grüne-Jugend-Chefin Nietzard geht – und rechnet ab - Politik - SZ.de
- Projekt von Flingern mobil: Politik gibt grünes Licht für Kita-Neubau an der Wimpfener Straße
- Personalien - Landesregierung beruft neue Landesbeauftragte - Politik - SZ.de